K.I. LÄSST JUSTAV SPRECHEN
Ps: K.I. kann einfach nicht Berlinerisch lesen und aussprechen,
wie es für Hauptmann's Figuren typisch ist.
DER KREATIVE ANLASS | 2021
Enrico Graß, damals Kopf der Initiative und heute Ortvorsteher von Kummersdorf, rief mich im Sommer 2021 an.
Durch Corona hielt die Welt den Atem an. viele kulturelle Höhepunkte fielen aus, Künstlern fehlte die Plattform, den Menschen fehlte die Unterhaltung und das Miteinander.
Im kleinen Rahmen wollten wir wieder kreativ sein, uns austauschen und die Bürger zusammen bringen. Auch weil das Jubiläum der Feuerwehr anstand.
Inzwischen feiert JUSTAV auch zu anderen Feuerwehr-Jubiläen der Region mit.
Ein intensives Telefonat und die Idee war geboren. Ich wollte unbedingt Gerhart Hauptmann als Inspirationsquelle dabei haben und es passte perfekt, dass sein Werk "Der rote Hahn" zufällig ebenfalls Jubiläum feiert und sich ausgerechnet um eine ausgeklügelte Brandstiftung dreht.
Ich ahnte bei den spontanen und noch recht oberflächlichen Recherchen nicht, wie sehr mich diese Tragik-Komödie als Fortsetzung von "Der Biberpelz" überraschen, gar schockieren, würde.
Die volle Tragik versuchte ich in das Werk JUSTAV, seiner traurigen Mimik und aller Symbolik, samt echtem Kuss und echtem Pflaster zum Ausdruck zu bringen.
Dazu mehr im nächsten Kapitel.
Kurz nach der Jahrtausendwende war ich mit vielen anderen kreativen Köpfen aus Kummersdorf/Storkow, Erkner und anderen Orten ein Teil von united beats.
Sie veranstalteten Festivals mit elektronischer Musik auf verlassenen Geländen und luden Künstler ein, dort auszustellen, Installationen aus den gefundenen Materialien zu bauen oder live zu zeichnen.
Dieser kreative Geist wurde zum Leben erweckt, etwas älter, doch genauso kunstvoll und gemeinschaftlich.
Der Erkneraner Ortschronist Frank Retzlaff entdeckte sogar weitere Gemeinsamkeiten und berichtete davon an der Schleuse unterm Maulbeerbaum den aufmerksamen Zuhörern.
Die Geschichte "Der Rote Hahn"
Die Warnung stammt von Fielitz, dem (neuen) Ehemann von Mutter Wolffen. Stets auf ihr ehrliches, tüchtiges Image bedacht, stellt sie sich in "Der rote Hahn" bewusst kinderlieb dar, während sie nichts Gutes im Sinn hat.
Ein Junge aus der Nachbarschaft, Gustav (gesprochen "Justav"), ist der Leidtragende - sein Vater nicht minder. Sie tröstet beide mit scheinheiligen Argumenten als Nutznießerin hinweg. Sie sind nicht die einzigen Opfer in diesem Trauerspiel.
Mein feministisch angehauchtes, kluges und freches Bild dieser Ikone der Stadt Erkner änderte sich damit nachhaltig.
Der Junge versteckt sich gern auf dem Glockenturm und beobachtet die Spatzen. Und er zündelt hin und wieder, was ihm zum Verhängnis wird, wie er oben selbst erzählt (dank K.I. Animation).
Er ist nicht der Einzige. Die Geschichte spielt zu einer Zeit, wo es in Berlin und Umgebung häufiger vorkam, dass ein Haus abbrennt und "Dank" der Versicherung neugebaut wird. Die Feuersozietät hat ihren Ursprung übrigens auch in Brandenburg (Preußen).
Bis 1889 lebte Hauptmann in Erkner. Er lässt Orte wie Kienbaum und den Flakensee, Begegnungen und Erlebnisse in seine Werke einfließen. Im gleichen Jahr wurde von Hermann Schindler die Freiwillige Feuerwehr Erkner gegründet.
Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zu den um 1900/01 veröffentlichten Werk "Der rote Hahn"?
Das war der zeitliche Rahmen, der uns Künstlern gesetzt wurde, um live vor Ort ein Werk zu schaffen.
Unter den Augen der Zuschauer malten junge und ältere Künstler*innen gemeinsam und stellten weitere Werke am 1. Kreativen Sonntag im Gemeindehaus Kummersdorf aus:
Making of
Es war nicht nur ein Funke, der das Feuer in mir entfachte. Die Glut war noch warm, denn Werke von Hauptmann mit Bezug zu Erkner waren schon einmal meine Inspirationsquelle.
Auf Kaffeetüten der DE'KAFFEE-Rösterei ist bereits Mutter Wolffen aus "Der Biberpelz" mit einer Prise Humor dargestellt. Auch Skizzen zu "Die Ratten" und "Bahnwärter Thiel" gehören dazu und verbinden mich mit meiner langjährigen Heimatstadt und dem Literatur-Nobelpreisträger.
"Der rote Hahn" ist die Fortsetzung, in der Mutter Wolffen ihre opportunistische Art auf die Spitze treibt.
Sie geht zu weit! War der erste Teil der Komödie noch mit einem Schmunzeln zu lesen, wie Mutter Wolffen ihre Töchter "erzieht", zum Diebstahl animiert und eine Win-Win-Situation mit dem Biberpelz erzielt - allerdings nicht für die gehobene Gesellschaft - so verging mir recht schnell das Lachen beim Lesen des zweiten Teils, zurecht als Tragik-Komödie bezeichnet.
Die gesellschaftliche Situation in der Gründerzeit, die Rollen von Frauen, ihre Einschränkungen, und wie sie Wege finden, damit zurecht zu kommen, anderen eins auszuwischen oder daran zerbrechen. In Büchern und Filmen sind sie mir begegnet und regen mich auf, werden zum Vorbild oder wie hier Quelle der künstlerischen Inspiration.
Hauptmotiv & erzählende Elemente - Die Sammelphase
Ich zeichne am liebsten Portraits und kombiniere diese mit Zitaten, die mich inspirieren, innerlich bewegen, dem Werk gedankliche Tiefe geben.
Wer soll das Hauptmotiv sein? Mutter Wolffen, da sie mich so aus der Fassung brachte?
Welche der einzelnen Geschichten aus dem Werk erzähle ich? Wie kann ich sie darstellen?
Hauptmann's Figuren und Worte in ein eigenes Werk zu übersetzen, fühlt sich sehr besonders an, wenn man so lange in der Stadt lebte, die heute seinen Beinamen trägt.
Sicher ist sicher - Die Vorbereitungsphase
4 Stunden Zeit für ein Werk, das mindestens 10 Stunden braucht. Und das auch noch vor Publikum und eine hohe Wahrscheinlichkeit für unvorhersehbare Ablenkung - als Teil der Organisation des 1. Kreativen Sonntags sehr wahrscheinlich.
Bei Auftragsarbeiten für Familienportraits richtete ich mir bereits mehrere Nummern Sicher ein. Ich wollte das Risiko minimieren, dass nicht alles ins Format passt oder die Komposition oder Proportion nicht stimmt. Also erstelle ich vorher eine digitale Collage im Bildformat und ergänze ein Raster, ganz nach Vorbild der alten Meister.
Sicher ist sicher - Die Vorbereitungsphase
Selbst die Bleistiftzeichnung gehört inzwischen wieder zur Routine. Und diese mache ich lieber sehr genau. So kann der Pinselschwung freier sein. Plus digitale Checkliste und rechtzeitig packen - es gab immer noch genug Nervenkitzel vor Ort...
Über die Jahre entwickelte ich eine Kombination aus grauem Karton, Acryl und Pastell, mit der ich meinen lebendigen
Zeichenstil
entfalten konnte, ohne zu viel Platz, Material und Zeit in Anspruch zu nehmen. Ich konnte mich in Skizzen weiter entwickeln, die sich in den Alltag aus Familie und Beruf integrieren ließen
Eine Geschichte, die mich bewegte und inspirierte, der KUNST-STOFF für ein neues Werk.
Was sind deine Gedanken? Ich freue mich davon zu erfahren.
Schreibe mir gern per E-Mail an me@female-future-portaits.de .
Stefanie Richter
G*Artelier
15566 Schöneiche bei Berlin
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